Montag, 9. November 2015

freie Menstruation

Bis vor einem Monat war mir der Begriff noch nicht bekannt. Ich hatte keine Ahnung, dass es so etwas überhaupt gibt.

Umso dankbarer bin ich, dass mich das Interview mit Caroline Oblasser gefunden hat. Sie ist die  Autorin des Buches "Regelschmerz ade! Die freie Menstruation".

Nun müsst ihr wissen, dass ich zu den Frauen gehöre, die echt heftigste Regelschmerzen hatten. Manchmal konnte ich tagelang nur liegen, war total fertig und die herkömmlichen Schmerzmittel brachten nur eine geringe Linderung. Ich wusste teilweise nicht wohin mit mir, wurde vor Schmerz sogar schon ohnmächtig, hatte Schweißausbrüche, Krämpfe bis zum Abwinken, Rückenschmerzen, Hüftschmerzen. Der Schmerz zog sogar bis in die Oberschenkel.

Dieser Symptomatik bin ich natürlich auch auf geistiger Ebene begegnet und habe mich eingehend mit dem Thema Regelschmerz und Weiblichkeit befasst. Ein sehr breites und vielschichtiges Thema, wie ich finde. Was ich alles entdecken durfte und was die Annahme von Weiblichkeit für mich mit Regelschmerz zu tun hatte, findet ihr in meinem Artikel "Weiblichkeit l(i)eben".

Das alles brachte mich in Sachen Regelschmerz schon einen riesen Schritt weiter. Er wurde milder, erträglicher, war aber noch da. Und dann lief mir dieses Interview über den Weg, just zwei Tage bevor die nächste Regel anstand. Ich verschlang es regelrecht und kaufte mir sofort das E-Book von Caroline Oblasser. Auch das hatte ich an einem Tag durchgelesen und danach plötzlich eine ganz andere Sicht auf die Menstruation.

Die größte Erkenntnis der freien Menstruation war für mich, dass ich das Regelblut gezielt abfließen lassen kann. Der Hinweis, dass das Blut nicht einfach willkürlich abfließt, sondern Gebärmutter und Gebärmutterhals eher wie ein Stausee sind, den ich gezielt entleeren kann, war für mich bahnbrechend. Auch dass Regelschmerz vorwiegend dadurch entsteht, weil sich in der Gebärmutter eine große Menge Blut angesammelt hat, die nicht abgelassen wurde und die Gebärmutter nun mit meist schmerzhaften Muskelbewegungen ähnlich der Wehe versucht, dieses Blut abzusondern, war ein ganz neuer Blickwinkel. Der Stausee läuft nur unkontrolliert und meist mit Schmerz über, wenn ich ihn nicht entleere.

Wieso um alles in der Welt sagt einem das keiner? Wann und wo ist dieses Wissen der Frauen abhanden gekommen?

Nun bin ich dem ganzen nicht mehr einfach ausgeliefert. Sondern ich kann meinen Körper ganz bewusst während der Regelblutung unterstützen und ihm helfen, dass es leichter geht. Natürlich habe ich das bei der nächsten Regel sofort ausprobiert. Sah ich den "Tagen" sonst immer eher skeptisch entgegen, weil ich nie wusste, wie heftig sie diesmal werden würden, freute ich mich schon fast auf das Einsetzen der Blutung. Auch eine neue Erfahrung. ;)

Und was soll ich sagen? Ich praktiziere gerade nun schon zum zweiten Mal die freie Menstruation und bin begeistert. Es tut so gut, den Unterleib in regelmäßigen Abständen immer wieder zu entspannen, den Gebärmutterhals zu öffnen und das Blut abfließen zu lassen. An den ersten Tagen der Regel mache ich das spätestens jede Stunde oder dann, wenn es anfängt zu ziehen und zu schmerzen. Ich setze mich auf die Toilette, gehe mit meiner Aufmerksamkeit in den Unterleib und entspanne mich. Fast sofort bildet sich ein rotes Rinnsal und das Ziehen hört auf. Ich habe eine ganz neue, eine viel engere Beziehung zu meinem Zyklus und zu meiner Gebärmutter bekommen. Wir haben ein ganz anderes Verhältnis. Wir arbeiten plötzlich zusammen. Das ist wirklich toll. Und die Regelschmerzen sind tatsächlich fast ganz verschwunden. Ich bin nicht mehr so erschöpft, der Rücken tut nicht mehr weh. Ich bin während der Regel ein ganz neuer Mensch.

Ich trage keinen Tampon und kann mich dennoch frei bewegen, ohne einfach "überzulaufen". Anfangs war ich etwas skeptisch, weil ich dem Braten nicht getraut habe. Aber gestern war ich tatsächlich mit Regel und ohne Tampon spazieren und es ist nichts ausgelaufen. Es ergab sich, dass ich in regelmäßigen Abständen eine Toilette aufsuchen konnte und so funktionierte das wirklich einwandfrei. Natürlich hatte ich sicherheitshalber eine Binde eingelegt (dieses Tragegefühl mag ich so gar nicht!), aber bis auf ein paar dünne rote Spuren, die ich wahrscheinlich auf der Toilette nicht richtig entfernt hatte, war da nichts zu sehen. Und auch dieses unangenehme Gefühl, wenn beim Gehen ein warmer Schwall Blut den Körper verlässt, blieb aus. Ich hatte es ja immer wieder ablaufen lassen. Wahnsinn wie gut das funktioniert und eigentlich nicht verwunderlich, dass der Körper hier so clever gestrickt ist.

Das größte Geschenk ist aber wirklich, dass diese heftigen Krämpfe nicht mehr da sind. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass der Grund dafür so einfach zu beseitigen ist.

Diese Art der Menstruation, der Blickwinkel darauf, die Zusammenarbeit zwischen mir und meinem Körper ist wirklich eine neue Art von Freiheit für mich. Es heißt nicht umsonst "freie Menstruation"! Wieder ein Thema, bei dem ich zurück in meine Macht gekommen bin. Das fühlt sich richtig gut an!!!

Und deswegen teile ich dieses Wissen und meine Erfahrungen auch jetzt mit euch. Es soll so viele Frauen wie möglich erreichen. Dieses Urwissen muss wieder in die Welt!!!

Die Regel ist für mich immer noch ein Ritual der Reinigung und des Rückzuges. Ich werde mir diese Tage nach wie vor frei halten, so gut es nur geht. Aber nun nicht mehr weil ich muss, sondern weil ich will! Da wollte ich hin! Freiheit eben... ;)


Herzensgrüße von mir
Anja


Foto und Bild: Anja Reiche